Gregor Oehmann
Kunst
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Stuttgarter Zeitung, 02.04.2005

 

Beim Bildhauersymposion bringt jeder Schlag weiter

Seit Dienstag sind in der Waiblinger Ziegelei Hess wieder die Steineklopfer zu Gange - Erst wenn es wehtut, ist es Erholung

WAIBLINGEN. Bis heute haben sie geklopft, jeder an seinem Stein mit Hammer und Meißel. Die meisten Teilnehmer des 13. Waiblinger Bildhauersymposions sind mit ihrer Arbeit fertig geworden.

Unvermittelt kommt das Idyll hinter einer Bergkuppe zum Vorschein - inmitten von Waiblingens Industriegebiet Ameisenbühl. Rot leuchten die alten Gebäude der ehemaligen Ziegelei Hess. Bäume, Ställe, Koppeln und ein winziger Weiher umgeben sie. Hinter den Ställen hört man die Kursteilnehmer beim Steineklopfen, und aus dem Haupthaus dringt Küchengeklapper. Es riecht nach Suppe. Inge Rohwer kommt mit einer Hand voll Brokkolistrünken aus der Küche. "Die bring" ich den Hasen." Rohwer hilft der Leiterin der Kunstschule, Gisela Sprenger-Schoch, die die Verpflegung der Symposionsteilnehmer übernommen hat.

Steineklopfen macht hungrig. Um 12.30 Uhr versammeln sich die 13 Bildhauer samt ihrem künstlerischen Leiter Gregor Oehmann an einer langen Tafel im Haupthaus zum Suppelöffeln. "Das hat was von Schullandheim hier, ganz wunderbar", findet Rohwer.

Mehr als die Hälfte der Männer und Frauen sind nicht zum ersten Mal dabei. Monika Stahl hat die Büste einer altägyptischen Königin mitgebracht, die beim Symposion im vergangenen Jahr nicht fertig geworden war. Splitter schießen nach allen Seiten, wenn sie Hammer und Meißel ansetzt. Sie trägt eine Schutzbrille. Dieses Mal wird der Kopf fertig. Einen Platz gibt"s für ihn auch schon: am Gartenteich in Winterbach.

"Die Leute nehmen sich meist zu viel vor - und das ist gut so", sagt Oehmann. Wenn sie an dem arbeiteten, was sie wirklich wollen, sei der Ansporn noch größer. "Dann sind sie viel ehrgeiziger, als wenn ich sage: „fang mal mit was Einfachem an - einer Vogeltränke zum Beispiel."

Peter Wallner hat sich viel vorgenommen. Aus hartem Carrara-Marmor, der übrigens einem Landwirt namens Ernst Benhelm bis 1947 als Grabstein diente, haut er einen knieenden muskulösen Kerl heraus. Die Figur ist in gebeugter Haltung und stemmt einen Felsbrocken gen Himmel. Ein Sisyphos - so wie Wallner selbst, der mit beherzten Schlägen die Figur aus dem Stein schält.

"Jeder Schlag bringt mich vorwärts", sagt er. Abends ist Wallner kaputt, Hände und Rücken schmerzen - und das tue gut. Das sei anders als bei der Büroarbeit. "Da habe ich den ganzen Tag telefoniert, gemailt und gefaxt, aber am Abend frage ich mich, was ich eigentlich den ganzen Tag gemacht habe." Das Sich-Vertiefen in den Stein, das völlige gedankliche Abtauchen in die Arbeit empfindet er als wohltuend. "Das ist für mich geistige Erholung."

Oehmann geht von einem zum anderen. Prüft kritischen Auges die Proportionen, gibt Tipps, wo noch was wegzunehmen ist oder wie man den Meißel ansetzt, damit nicht ein Riesenstück wegbricht. Zeitweise braucht ihn auch keiner, weil alle versunken auf ihrem Brocken herumhämmern. "Es ist interessant zu sehen, wie jeder arbeitet. Manche hacken gleich drauf los, wissen sofort, was sie wollen. Andere sind zögerlich. Die ringen regelrecht mit ihrem Stein."